Dienstag, 28. Oktober 2014

Ein Tag als national befreite Zone

Wie Köln für Stunden zur No-Go-Area wurde

Vergangenen Sonntag erlebte die Rheinmetropole einen der größten Naziaufmärsche Deutschlands seit Jahren. Unter dem Vorwand einer Kundgebung gegen Salafist*innen versammelte sich ein Mob von 4.000 gewaltbereiten Neonazis und rechten Hooligans. Die massive Mobilisierung der „Hooligans gegen Salafisten“ (HoGeSa) ließ die Polizei hoffnungslos überfordert zurück.

"Wir waren angemessen und gut aufgestellt, um diesen Einsatz aus polizeilicher Sicht zu bewältigen", meint Einsatzleiter Rüschenschmidt in einer Pressekonferenz. Zwar konnte ALLERschlimmstes verhindert werden, doch konnten nur 1.300 Beamte gegen viermal so viele gewaltbereite und alkoholisierte Schläger*innen nur wenig bewirken. Offen skandierte rassistische Parolen und Angriffe auf Passant*innen, Anwohner*innen und Journalist*innen bekam die Polizei nicht in den Griff, dabei wurde seit über einer Woche zu Tausenden in sozialen Netzwerken die Teilnahme bekanntgegeben. Im Hauptbahnhof zerlegten die Faschos zudem noch das Backwerk – eine Hochburg des Salafismus? Der Staatsschutz geht jedenfalls von einem Anteil rechter Aktivist*innen von lediglich 10% aus. Im Vorfeld habe es keine Anhaltspunkte gegeben, die ein Verbot gerechtfertigt hätten, so Polizeipräsident Albers.  
Besonders deutlich wird hierbei das doppelte Maß, mit dem linken Protesten und rechter Agitation begegnet wird: Während die Einsatzkräfte bei Protestaktionen wie Blockupy oder Castor-Blockaden gerne mal eskalieren, das Pfefferspray immer locker sitzend, wüteten die Nazi-Hools weitgehend unbehelligt. Der Focus titelt gar: "Polizei: Türkische Fußball-Fans lösten Ausbruch der Hooligan-Gewalt aus". Eine solche Ignoranz vonseiten der Behörden und der Presse angesichts eines derart gefährlichen Netzwerkes von Rassist*innen entbehrt jeglicher Vernunft, insbesondere nach dem NSU-Skandal. Dieses Versagen, diese Verantwortungslosigkeit gegenüber den Menschen in Köln, kann nur als politisch geduldet, wenn nicht gar gewollt bezeichnet werden.


Unsere Antifa-Maulwürfe waren natürlich auch am Start




Laute Widerworte

Zusammen mit ca. 1.000 Antifaschist*innen versammelten wir uns auf der anderen Seite des Bahnhofes, um gemeinsam gegen die Hassparolen der Neonazis, Hooligans und Rocker zu demonstrieren. Vereinzelt haben immer wieder Hools versucht, durch den Bahnhof zu uns zu gelangen und zu provozieren. Im Anschluss an die Gegenkundgebung am Bahnhofsvorplatz startete dann eine friedliche Demo Richtung Friesenplatz, von da aus ging es weiter zum Autonomen Zentrum. Ein möglicher Angriff auf diesen Freiraum wurde vermutet.
Den restlichen Sonntagabend streunerten einzelne Gruppen von HoGeSa-Teilnehmer*innen durch die Innenstadt auf der Suche nach (augenscheinlichen) Migrant*innen, Linken und anderen Menschen, die ihnen einen Vorwand fürs Prügeln bieten könnten.

Wieder einmal stellten die deutschen Behörden unter Beweis, wie blind sie auf dem rechten Auge immer noch sind. Dass die viertgrößte Stadt Deutschlands einen Tag lang zur No-Go-Area werden konnte, muss endlich alarmieren: Gefragt sind nun antifaschistische und migrantische Netzwerke, dem Treiben der Nazi-Hools massiven Protest entgegenzustellen und ihre Hassparolen nicht unwidersprochen zu lassen!

SIAMO TUTTI ANTIFASCISTI!

Unser Redebeitrag, den Felix auf der Gegenkundgebung gehalten hat:
Wir protestieren hier heute gegen rassistische und neofaschistische Hooligans. Wir dürfen dabei nicht vergessen, dass die Veranstaltung da drüben nur die hässliche Spitze eines Eisbergs von alltäglichem Rassismus ist. Dieser fängt nicht erst bei Sarrazin an und hört auch nicht bei ProNRW auf!
Der Zuspruch für die „Hooligans gegen Salafisten“ ist gerade vor dem Hintergrund des barbarischen Krieges des IS in Syrien und im Irak stark. Bei vielen Sympathisant*innen vermischt sich aber die Ablehnung des Salafismus und des IS mit pauschalisierenden Abgrenzungen gegen „den Islam“ und mit zuwanderungsfeindlichen Positionen. Dieses Thema gilt ihnen als Aufhänger, um ihren menschenverachtenden Rassismus zu propagieren. Propaganda, die sich gegen Refugees und Migrant*innen wendet und Menschen aus islamisch geprägten Ländern und Kulturkreisen unter den Generalverdacht des Terrorismus stellt.
Anschluss finden sie dabei an Debatten der bürgerlichen Mitte um „Überfremdung“ und „Islamisierung“ ebenso wie bei der Wähler*innenschaft der AfD. Institutionalisiert ist dieser Rassismus darüber hinaus in der gängigen Polizeipraxis wie auch in der restriktiven und menschenfeindlichen Asylpolitik der Festung Europa.
An den bisher stattgefundenen Treffen in Köln, Essen und Dortmund nahmen vorwiegend nationalistische Fußballfans und Hooligans sowie organisierte Neonazis und andere Akteure aus der rechten Szene teil. Am eindeutigen politischen Charakter des Treffens konnte also kein Zweifel bestehen.
Ebenso wenig dürfen wir nun jene dschihadistischen Kräfte aus dem Auge verlieren, die „den Islam“ zur Rechtfertigung von Terror und Tod missbrauchen, unter dem Banner eines islamischen Staates. Unsere Solidarität gilt all den fortschrittlichen Kräften, die in Kobanê, Rojava und andernorts Widerstand leisten. Dass die entschlossensten Gegner*innen der fundamentalistischen Gotteskrieger überwiegend selbst muslimischen Glaubens sind, ist ein Beweis, dass es nicht um einen Kampf zwischen Religionen geht, sondern um den gemeinsam geführten Kampf gegen eine reaktionäre Bedrohung.
Wir kämpfen gemeinsam und solidarisch gegen faschistische und dschihadistische Vernichtungsideologien! Ein Kampf, der vor deren Wurzeln nicht Halt machen kann und darf:
Gegen Nation und Kapital! 

(Autor*in: Wordnerd)

Ein Paar Bilder von der Gegenkundgebung:


CC linksjugend ['solid] köln

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CC linksjugend ['solid] köln
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