Donnerstag, 2. Juli 2015

Vielfalt statt Einfalt



Aufruf der linksjugend ['solid] köln zur Colognepride 2015.

Inzwischen ist man sich in linken Kreisen einig: Cristopher Street Day, das ist doch nichts weiter als ein rosa Karneval. Doch Homosexualität, Transsexualität und queere Lebensrealität hat leider nicht viel mit allseits akzeptierter Folklore zu tun. Alleine in den letzten Jahren erfasste die Berliner Statistik mindestens 90 Straftaten aus Hass gegen Homosexuelle. Von der Dunkelziffer, den täglichen Diskriminierungen und den riesigen Demonstrationen „besorgter Eltern“ einmal abgesehen. Trans- und Homosexuelle müssen jeden Tag mit Beschimpfungen und auch Gewalt rechnen. In Istanbul wurde dieses Jahr der CSD von der Polizei mit Tränengas und Gummigeschossen angegriffen, weil Ramadan war. 



Stonewall means fight back!

Dies erinnert schmerzlich an die Entstehung des Cristopher Street Days. In den frühen Morgenstunden des 28. Juni 1969 fand in der Bar Stonewall Inn der sogenannte Stonewall-Aufstand statt. Die New Yorker Polizei schikanierte damals immer wieder Schwule, Lesben und Transsexuelle, verprügelte sie und führte Razzien durch. An diesem Tag schließlich erhoben sich die Schikanierten und es gab wochenlang in der Cristopher Street gewalttätige Auseinandersetzungen mit der Polizei. Betroffene wollten das erlittene Unrecht nicht weiter hinnehmen und sich wehren. Die Privilegien der Heterosexuellen sollten auch für sie gelten.
Erst vor 21 Jahren wurde Homosexualität gegen den Willen einer reaktionären Mehrheit in Deutschland legalisiert, bis heute dürfen Homosexuelle weder heiraten, noch dürfen sie Kinder adoptieren und die katholische Kirche hat in Deutschland die Macht homosexuell geoutete Lehrer zu entlassen. Während es für heterosexuelle Pärchen eine Selbstverständlichkeit ist, auch in der Öffentlichkeit Hand in Hand zu laufen, einander in den Arm zu nehmen, verliebte Blicke auszutauschen und ihre Liebe unverdeckt zu zeigen, so ist das bis heute für queere Pärchen vielerorts gefährlich. Küssen sie sich im falschen Moment oder am falschen Platz, schon werden aus höhnischen Rufen und Gewalttaten. Heute steht in Uganda, Teilen Südafrikas und den meisten islamischen Ländern Homosexualität mindestens unter schwerer Strafe, wenn nicht sogar der Tod droht.

Vielfalt: lehren, lernen, leben!

Besonders Junge queere Menschen verstecken aus Angst ihre Neigungen und können oft in der Schulzeit von einem Outing nur träumen. Die Geschichten der gemobbten, gedemütigten und verprügelten Betroffenen gibt ihnen leider Recht, denn es ist immer noch gefährlich, sich in der Jugend als queer zu outen. Darum sind die Forderungen der Colognepride, so wichtig und richtig:
Vielfalt: lehren, lernen, leben!

Aufklärungsunterricht in Schulen tut bitter Not, queere Personen sollen erfahren, dass mit ihnen alles in Ordnung ist, dass sie nicht pervers oder abartig sind und das Problem bei der Mehrheitsbevölkerung liegt.
 „Die Straße ist auch unsere“, das müssen und sollen die homophoben Reaktionären immer wieder sehen. Auch darum ist der CSD wichtig, hier können LGBTI* einmal offen, angstfrei und außerhalb der Szenekneipe einfach sein.
Aufklärung in der Schule ist auch deshalb dringend nötig, weil religiöse Fundamentalist*innen gefährliche „Heilungen“ anbieten, von Elektroschocks bis zu Schlägen und Pseudopsychoanalyse.

Das ist ein Angriff auf uns alle

Rechtsradikale instrumentalisieren immer wieder diese Forderungen, um ihr menschenfeindliches, muffiges Bild von starkem Vater, der unterwürfigen Mutter und den drei braven Kinderlein unter das Volk zu bringen. In NRW wurden die „besorgten Eltern“ zwar nicht zu einer solchen Massenbewegung wie in anderen Bundesländern, aber dafür wurden die Demonstrationen von strammen Rechtsradikalen organisiert. Sogar Front National Sympathisant*innen aus Frankreich reisten an, PRO Köln nahm teil und die einschlägigen Portale wie PI-News berichteten sehr wohlwollend.
„Das ist ein Angriff auf uns alle“ sollte das Motto jedes Linken sein, wenn er zum Christopher Day geht und auch das Beispiel Nasser El-Ahmads vor Augen hat, der dieses Jahr seine eigenen Eltern anzeigte. Diese wollten ihn mit Zwang, Gewalt, Hass und KO-Tropfen „hetero machen“ und ihn schließlich zwangsverheiraten. Die Solidarität jedes Linken mit den Opfern homophober Gewalt sollte selbstverständlich sein. Privilegien, wie die bürgerliche Zivilehe oder das öffentliche Händchenhalten sind nicht das Problem, die systematische Verweigerung dieser Privilegien für einige ist das, was bekämpft werden muss.

Die Ehe für alle, die Aufklärung an Schulen, das volle Adoptionsrecht für queere Paare, freies L(i)eben für alle und härtere und schnellere Maßnahmen für homophobes Mobbing sind grundsätzliche Forderungen. Der CSD ist ein Politikum, kein rosa Karneval. Die Bevölkerung muss sich damit abfinden, dass queere Menschen da sind und nicht im Traum daran denken, sich wieder im stillen Kämmerlein zu verstecken. Die Straße ist für alle da, auch für uns.
 
Deshalb kommt alle zur Colognepride 2015 vom 3.-5- Juli, denn „seltsam sind einzig die Menschen, die niemanden lieben.“ (Rita Mae Brown)

linksjugend ['solid] köln und die
AG queer der LINKEN Köln