Warum wir am 18. März in Frankfurt sind
„Es
gibt zwei Europas, und man muss sich im einen oder im anderen positionieren.“ –
Antonio Negri / Raúl Sánchez Cedillo
Die
Situation in Europa spitzt sich zu: Aus den Rissen eines unmenschlichen Systems
sind klaffende Löcher geworden. Immer deutlicher wird die Konfrontation
zwischen einem neoliberalen und konservativen Europa einerseits und einem sich
von unten konstituierenden Europa der Arbeiter*innen andererseits, einem Europa
der verarmten Mittelschichten und der prekären oder arbeitslosen Jugendlichen,
der Frauen und Queers, Migrant*innen und Refugees, der alten und neuen
Ausgeschlossenen. Aus ihrer Marginalität heraus erkämpfen sie sich immer mehr
Räume des Protestes.
Noch nie – seit
dem Zweiten Weltkrieg – waren die äußeren wie inneren Grenzen der EU so stark
umkämpft. Frontex und Tausende Tote auf See, die Abschiebungen per
Dublin-Verordnung, Kontrollen und Festnahmen, sowie die Internierung in
Abschiebeknästen charakterisieren ein tödliches, unmenschliches EU-Grenzregime.
Doch überall erstarken selbstorganisierte Kämpfe für das Recht auf
Bewegungsfreiheit. Es gibt zahlreiche Verbindungslinien, um in und mit diesen
Kämpfen für globale Bewegungsfreiheit und gegen alle rassistischen
Sondergesetze eine übergreifende emanzipatorische Perspektive zu entwickeln.
Die Verbindung zwischen Protesten gegen Austeritätspolitik und Grenzregime
erscheint umso wichtiger, wo europaweit neue rechte Gruppierungen reaktionäre
Krisenlösungen propagieren: Pegida, AfD und Co. mit ihrer brutalen Verteidigung
nationaler Souveränität und der ‚abendländischen‘ Schicksalsgemeinschaft des
Wohlstandes.
Von Athen
nach Frankfurt!
Korruption,
Steuerhinterziehung oder -privilegien, wahnsinnige Rüstungsausgaben und eine
Industriepolitik der Prekarisierung – nicht die Bürger*innen, sondern die
Machthaber*innen des neoliberalen Projekts, die Politiker*innen der „Mitte“
haben die Schulden geschaffen, deren Rückzahlung sie nun einfordern. Eine
öffentliche Gesundheitsversorgung gibt es in Teilen Südeuropas faktisch nicht
mehr. In Deutschland dagegen lebt eine Mehrheit so gut wie lange nicht mehr auf
Kosten des globalen Südens, der inzwischen im eigenen Hinterhof beginnt.
Linke
Proteste gegen die Sparpolitik haben in Griechenland den bisherigen Status Quo
massiv verschoben. Mit dem Sieg von Syriza tun sich neue Räume der Veränderung
auf, nicht nur im Kampf gegen die brutale Austeritäts- und Krisenpolitik,
sondern auch gegen das unmenschliche Haft- und Grenzregime. Dies ist auch ein
Verdienst der Menschen in Griechenland, die auf der Straße und den Plätzen
Widerstand geleistet haben – und schließlich gegen alle Drohungen eine
Regierung ins Amt gewählt haben, die einen Bruch mit den Kürzungsdiktaten
verspricht. Dabei sind die politischen Vorhaben dieser Regierung weit entfernt
von deren und unserer Utopie, sie sind das Mindeste. Aber sie beenden die
schweigende Akzeptanz einer Sparpolitik, die Tausende Griech*innen bereits mit
Krankheit, Obdachlosigkeit oder ihrem Leben bezahlen mussten. Doch der Kampf
ist auch auf der Straße noch lange nicht vorbei – und im Zweifel auch die amtierende
Regierung zu konfrontieren, wie die kürzlich Besetzung der Syriza-Zentrale durch Anarchist*innen gezeigt hat.
Die
Machtinstitutionen in Brüssel, Berlin und Frankfurt sind sogleich zu Stelle,
alles an Erpressungs- und Druckmitteln anzuwenden, um die neue griechische
Regierung in der Krisen- wie in der Migrationspolitik auf den EU-Linien der
Ausbeutung und Ausgrenzung zu halten. Der erpresste „Kompromiss“ der
4-monatigen Verlängerung der Kredite und der Sparauflagen zeigte, wie klein der
Spielraum der Syriza-Regierung gegen den Druck ist. Die EZB und insbesondere
die deutsche Regierung konnten ihren neoliberalen Kurs fortsetzen und versuchen
jetzt, jede Hoffnung auf eine Alternative zu ihrer menschenverachtenden Politik
zu zerstören.
Frankfurt
muss von Europa gestürmt werden
Für uns als
radikale Linke gilt es nun, sich für eine Perspektive jenseits von Staat,
Nation und Kapital einzusetzen. Dafür bietet die Verhinderung der EZB-Eröffnung
am 18. März in Frankfurt eine besonders große Bühne. Die Europäische
Zentralbank ist eine mächtige politische Akteurin: Sie ist ein wesentlicher
Pfeiler der politischen Ökonomie des europäischen Kapitalismus. Sie entscheidet
maßgeblich über die Geldpolitik in der EU und die Vergabe von Krediten. Der
derzeitige Kurs der EZB wird dabei bestimmt von der neoliberalen
Austeritätspolitik.
Für uns
steht die EZB nicht nur symbolisch für den angeblich alternativlosen
Sachzwangcharakter der gegenwärtigen kapitalistischen Verhältnisse europäischen
Zuschnitts. Sie steht ganz praktisch sowohl für die Durchsetzung der
Krisenpolitik als auch für eine kapitalfreundliche Geldpolitik und ist somit für
die sozialen Verwüstungen und Katastrophen in Europa der letzten Jahre
wesentlich mitverantwortlich. Die EZB steht somit stellvertretend für die
menschenverachtende Politik des Standortes Europa. Blockupy EZB kann ein
Knotenpunkt all der linken, libertären, kommunistischen, antiautoritären, trans-
und antinationalen Bewegungen und Gruppen werden. Gegen die vermeintliche
Alternativlosigkeit der neoliberalen Tristesse wie gegen ihre autoritäre
Formierung im Namen von Kultur und Religion stellen wir unsere Solidarität mit
den emanzipatorischen Kämpfen Europas und darüber hinaus.
Deshalb
kommen wir am 18.3.2015, dem 144. Jahrestag der Pariser Kommune, nach
Frankfurt. Um mitzuwirken, in der Bankenmetropole ein radikales Zeichen der
transnationalen Solidarität zu setzen, den Arbeitsalltag zu blockieren, kreativ
und gewaltfrei Widerstand zu leisten.
Morgens:
Blockade der EZB | Nachmittags: Transnationale Demonstration
18 Null
Drei, Wir nehmen uns frei!