Am 28.03. fuhren wir mit einer großen
Gruppe aus Köln nach Dortmund, um an der Gedenkdemo für den dort vor 10 Jahren
von einem Neonazi ermordeten Punk Thomas "Schmuddel" Schulz teilzunehmen
und gegen einen zeitgleich stattfinden Naziaufmarsch zu protestieren. So war es
zumindest geplant, doch die Polizei sollte dem Ganzen einen Strich durch die
Rechnung machen.
Schikane vom Feinsten
Wir früh morgens aufgestanden und ab in
die Regionalbahn nach Dortmund. Angekommen waren wir eine Gruppe von gut und
gerne über 250 Personen und wir gingen zum gemeinsamen Treffpunkt an der
Kampstraße. Die Cops hatten bis zuletzt geheim gehalten, wo der Naziaufmarsch
wirklich stattfinden sollte und so machten wir uns dann auf in Richtung Dortmunder
Süden, wo die Faschos erwartet wurden.
Nach nur wenigen hundert Metern wurden
wir plötzlich komplett eingekesselt und nirgendwo hin mehr durchgelassen. Eine
spontane Protestkundgebung am Büro der Piratenpartei in der Nähe des Auftaktkundgebungsortes
der Nazis wurde von der Polizei verboten und wir wurden im Wanderkessel zurück
Richtung Kampstraße geführt. Einige Aktivist*innen wollten sich diese Schikane
aber nicht geben und setzten sich kurzerhand in Bewegung Richtung Südstadt. Wir
übriggebliebenen wurden erneut eingekesselt und nirgendwo hin gelassen. Immer
wieder meldete sich eine Polizeisprecherin zu Wort: "Sie dürfen nicht zum
Piratenbüro in der Südstadt." - 5 Minuten später: "Wir geleiten sie
nun zurück zur Kampstraße". - 5 Minuten später: "Wir machen nur noch
schnell den Weg frei, dann dürfen Sie zurück zur Kampstraße gehen." - 5
Minuten später: "Wir haben jetzt den Weg frei gemacht, gleich dürfen Sie
zurück zur Kampstraße." - Es war einfach unglaublich lächerlich, wie wir
dann noch einmal gut 10 Minuten warteten und in einem Wanderkessel gut 100
Meter weiter geführt wuren, zu dem Ort, wo wir dann bleiben durften. Hier
waren wir auch wieder eingekesselt und wurden dann gegen 14 Uhr (wiederum in
einem Wanderkessel) zur Bahn geführt und in polizeilicher Begleitung nach
Dorstfeld gebracht, wo die Gedenkdemo starten sollte.
In netter Gesellschaft
Hier fanden sich dann nach einiger Zeit
gut 1.500 Leute ein, mit denen die Demo dann starten sollte. Nur ließen uns die
extra aus Bayern angekarrten Spezialeinheiten der Polizei nicht die
ursprünglich vereinbarte Route durch den von vielen Neonazis bewohnten
Stadtteil Dorstfeld laufen, Begründung: "Es sind mehr Leute gekommen, als
vom Veranstalter angemeldet." Aha. Der Veranstalter sollte dann also den extra
angereisten Leuten lieber sagen, sie sollen sich verziehen? Es sollte auch
nicht die letzte Schikane der Cops an diesem Tag sein. Nach einer
Auftaktkundgebung setzte die Demo sich dann auf dem alternativen Weg in
Bewegung und wurde hier auch mehrfach von der Polizei gestoppt, worauf hin ein
paar Böller aus der Demo flogen. Am Rand der Route zeigten einige Anwohner*innen den
Hitlergruß und provozierten damit die Demo. Es ging nach einem kurzen Stop aber
weiter Richtung Innenstadt, wo die Demo sich am Westentor angekommen plötzlich
schneller in Bewegung setzte. Die Polizei brach daraufhin in die Spitze der
Demo ein und ging mit Schlagstöcken gegen die Aktivist*innen vor. Es flogen
weitere Böller und Rauchbomben als Reaktion auf die Angriffe der Polizei. Der
Veranstalter beendet die Demo schließlich und es ging nicht wie geplant zum
eigentlichen Abschlussort an der Kampstraße.
Die Lage beruhigte sich jedoch relativ
schnell wieder und wir wollten jetzt eigentlich abreisen. Doch, oh Wunder,
wurde uns das leider von den Damen und Herren der Bereitschaftspolizei
erschwert. Sie zogen erneut einen großen Kessel um uns und ließen niemanden
raus. Vereinzelt durften Leute nach und nach gehen, es dauerte jedoch gut
eineinhalb Stunden, bis wir unter den letzten Verbliebenen schließlich auch gehen durften. Hierbei ließen es sich die Cops auch nicht nehmen, nochmal ein
paar Leute zu greifen, wahrscheinlich um sie dann für irgendwelche aus der Luft
gegriffenen Gründe anzuzeigen. Wir sammelten uns dann und
gingen gemeinsam zum Bahnhof, um abzureisen (achja, hier gab's natürlich auch
noch mal einen Polizeikessel auf dem Bahnhofsvorplatz, offensichtlich hatten
die Beamt*innen noch nicht die Lust am Schikanieren verloren).
Roter Teppich für braunes Gesindel
Während dieser ganzen Ereignisse konnten
die Nazis ungestört durch die Dortmunder Südstadt laufen, jeglicher
Gegenprotest wurde schon weit fernab von der Polizei brutal aufgehalten und sie
bekamen zudem noch einen Platz vor dem Dortmunder Stadion für ein
Rechtsrockkonzert. Immerhin protestierte der Verein Borussia Dortmund auch
gegen die Faschos, indem er das Licht am Stadion ausknipste. Die Faschos
konnten dennoch unbehelligt auch in der Stadt umherlaufen und Leute angreifen,
während wir quasi durchgehend im Polizeikessel standen.
Auf dem Rückweg erfuhren wir dann noch,
dass Genoss*innen von uns, die schon früher abreisen wollten, von Nazis
angegriffen und zusammengeschlagen wurden. Die Polizei hat daraufhin wohl nur
zu ihnen gemeint, sie seien selbst Schuld, damit müsse man eben rechnen, wenn
man an einer solchen Veranstaltung teilnimmt. Aha. Es ist halt der
Normalzustand, dass Nazis Andersdenkende angreifen, was sollte man also
dagegen tun? Am besten die unbeteiligten Bürger*innen vor den Linken warnen, diese
seien nämlich "hochgefährlich".
Fazit des Tages: Beinahe durchgehend im
Polizeikessel stehen, während die Nazis den roten Teppich ausgerollt bekommen.
Das ist also der Normalzustand. Willkommen in Deutschland!
Bericht: Martin