Montag, 30. März 2015

Ein Tag im Kessel: Bericht von der "Schmuddel"-Gedenkdemo in Dortmund



Am 28.03. fuhren wir mit einer großen Gruppe aus Köln nach Dortmund, um an der Gedenkdemo für den dort vor 10 Jahren von einem Neonazi ermordeten Punk Thomas "Schmuddel" Schulz teilzunehmen und gegen einen zeitgleich stattfinden Naziaufmarsch zu protestieren. So war es zumindest geplant, doch die Polizei sollte dem Ganzen einen Strich durch die Rechnung machen.

Schikane vom Feinsten

Wir früh morgens aufgestanden und ab in die Regionalbahn nach Dortmund. Angekommen waren wir eine Gruppe von gut und gerne über 250 Personen und wir gingen zum gemeinsamen Treffpunkt an der Kampstraße. Die Cops hatten bis zuletzt geheim gehalten, wo der Naziaufmarsch wirklich stattfinden sollte und so machten wir uns dann auf in Richtung Dortmunder Süden, wo die Faschos erwartet wurden.
Nach nur wenigen hundert Metern wurden wir plötzlich komplett eingekesselt und nirgendwo hin mehr durchgelassen. Eine spontane Protestkundgebung am Büro der Piratenpartei in der Nähe des Auftaktkundgebungsortes der Nazis wurde von der Polizei verboten und wir wurden im Wanderkessel zurück Richtung Kampstraße geführt. Einige Aktivist*innen wollten sich diese Schikane aber nicht geben und setzten sich kurzerhand in Bewegung Richtung Südstadt. Wir übriggebliebenen wurden erneut eingekesselt und nirgendwo hin gelassen. Immer wieder meldete sich eine Polizeisprecherin zu Wort: "Sie dürfen nicht zum Piratenbüro in der Südstadt." - 5 Minuten später: "Wir geleiten sie nun zurück zur Kampstraße". - 5 Minuten später: "Wir machen nur noch schnell den Weg frei, dann dürfen Sie zurück zur Kampstraße gehen." - 5 Minuten später: "Wir haben jetzt den Weg frei gemacht, gleich dürfen Sie zurück zur Kampstraße." - Es war einfach unglaublich lächerlich, wie wir dann noch einmal gut 10 Minuten warteten und in einem Wanderkessel gut 100 Meter weiter geführt wuren, zu dem Ort, wo wir dann bleiben durften. Hier waren wir auch wieder eingekesselt und wurden dann gegen 14 Uhr (wiederum in einem Wanderkessel) zur Bahn geführt und in polizeilicher Begleitung nach Dorstfeld gebracht, wo die Gedenkdemo starten sollte.

In netter Gesellschaft

Hier fanden sich dann nach einiger Zeit gut 1.500 Leute ein, mit denen die Demo dann starten sollte. Nur ließen uns die extra aus Bayern angekarrten Spezialeinheiten der Polizei nicht die ursprünglich vereinbarte Route durch den von vielen Neonazis bewohnten Stadtteil Dorstfeld laufen, Begründung: "Es sind mehr Leute gekommen, als vom Veranstalter angemeldet." Aha. Der Veranstalter sollte dann also den extra angereisten Leuten lieber sagen, sie sollen sich verziehen? Es sollte auch nicht die letzte Schikane der Cops an diesem Tag sein. Nach einer Auftaktkundgebung setzte die Demo sich dann auf dem alternativen Weg in Bewegung und wurde hier auch mehrfach von der Polizei gestoppt, worauf hin ein paar Böller aus der Demo flogen. Am Rand der Route zeigten einige Anwohner*innen den Hitlergruß und provozierten damit die Demo. Es ging nach einem kurzen Stop aber weiter Richtung Innenstadt, wo die Demo sich am Westentor angekommen plötzlich schneller in Bewegung setzte. Die Polizei brach daraufhin in die Spitze der Demo ein und ging mit Schlagstöcken gegen die Aktivist*innen vor. Es flogen weitere Böller und Rauchbomben als Reaktion auf die Angriffe der Polizei. Der Veranstalter beendet die Demo schließlich und es ging nicht wie geplant zum eigentlichen Abschlussort an der Kampstraße.
Die Lage beruhigte sich jedoch relativ schnell wieder und wir wollten jetzt eigentlich abreisen. Doch, oh Wunder, wurde uns das leider von den Damen und Herren der Bereitschaftspolizei erschwert. Sie zogen erneut einen großen Kessel um uns und ließen niemanden raus. Vereinzelt durften Leute nach und nach gehen, es dauerte jedoch gut eineinhalb Stunden, bis wir unter den letzten Verbliebenen schließlich auch gehen durften. Hierbei ließen es sich die Cops auch nicht nehmen, nochmal ein paar Leute zu greifen, wahrscheinlich um sie dann für irgendwelche aus der Luft gegriffenen Gründe anzuzeigen. Wir sammelten uns dann und gingen gemeinsam zum Bahnhof, um abzureisen (achja, hier gab's natürlich auch noch mal einen Polizeikessel auf dem Bahnhofsvorplatz, offensichtlich hatten die Beamt*innen noch nicht die Lust am Schikanieren verloren).

Roter Teppich für braunes Gesindel

Während dieser ganzen Ereignisse konnten die Nazis ungestört durch die Dortmunder Südstadt laufen, jeglicher Gegenprotest wurde schon weit fernab von der Polizei brutal aufgehalten und sie bekamen zudem noch einen Platz vor dem Dortmunder Stadion für ein Rechtsrockkonzert. Immerhin protestierte der Verein Borussia Dortmund auch gegen die Faschos, indem er das Licht am Stadion ausknipste. Die Faschos konnten dennoch unbehelligt auch in der Stadt umherlaufen und Leute angreifen, während wir quasi durchgehend im Polizeikessel standen.
Auf dem Rückweg erfuhren wir dann noch, dass Genoss*innen von uns, die schon früher abreisen wollten, von Nazis angegriffen und zusammengeschlagen wurden. Die Polizei hat daraufhin wohl nur zu ihnen gemeint, sie seien selbst Schuld, damit müsse man eben rechnen, wenn man an einer solchen Veranstaltung teilnimmt. Aha. Es ist halt der Normalzustand, dass Nazis Andersdenkende angreifen, was sollte man also dagegen tun? Am besten die unbeteiligten Bürger*innen vor den Linken warnen, diese seien nämlich "hochgefährlich".

Fazit des Tages: Beinahe durchgehend im Polizeikessel stehen, während die Nazis den roten Teppich ausgerollt bekommen. Das ist also der Normalzustand. Willkommen in Deutschland!

Bericht: Martin