Als Mensch, der in Deutschland groß wurde, durchläuft man obligatorisch die Schule und es werden einem Dinge beigebracht, die dann als so selbstverständlich erscheinen, dass man diese nicht mehr hinterfragen muss. Dinge wie „Wir leben in einer Leistungsgesellschaft.“, „Wir leben in einer Demokratie.“, „Wir sind aufgeklärt.“, „Die Polizei ist dein Freund und Helfer.“ und auch „Es gibt die Guten und die Bösen.“. Letzteres ist am Interessantesten, denkt man über die Notwendigkeit von Krieg nach. Man wird älter und man weiß, die Bundeswehr und andere Verbündete sind aktuell in der Welt im Einsatz.
Es werden Bomben geworfen, es sterben Menschen, vor allem Zivilisten, aber das ist alles super, weil, wir sind die Guten und für das höhere Wohl muss man Opfer bringen und Krieg ist schlecht, deshalb sind wir eigentlich dagegen und wir hätten keinen Krieg, wenn es die Bösen nicht gäbe UND natürlich, wenn wir könnten, dann würden wir Feinde mit „chirurgischer Präzision“ ausschalten, aber weil wir das nicht können, müssen eben Zivilisten sterben, schade.
Warum sind wir denn die Guten? Weil wir für Menschenrechte, Demokratie und Freiheit. Die Gegner sind daher alle, die sich gegen Menschenrechte, Demokratie und Freiheit stellen und stattdessen Tyrannei, Diktatur und Knechtschaft fordern. Dazu gehören dann zum Beispiel die Nazis, die Sowjetunion, Al-Qaida. Zweifellos kann man sagen, dass diese Fraktionen nicht viel von Menschenrechten, Demokratie und Freiheit hielten oder halten, also muss doch der Krieg gerechtfertigt sein. Interessanterweise hört der Krieg nicht auf. Es tauchen immer wieder neue Böse auf, die besiegt werden müssen und so müssen wir uns verteidigen. Noch interessanter ist, dass diese Bösen nie zugeben wollen, dass sie die Bösen sind sondern fieser Weise versuchen die Menschen zu täuschen, indem sie selbst behaupten, die Freiheit und den Frieden zu verteidigen. Aber es können ja nicht beide Seiten für Frieden sein, sonst würde es ja Frieden geben, daher muss einer lügen. Das sind natürlich nicht wir, weil wir haben ja schon Menschenrechte, Demokratie und Freiheit und möchten sie gerne mit allen Menschen teilen.
Krieg ist aber auch kompliziert. Zum Glück haben wir dafür gewählte Repräsentant*innen. Gott bewahre wir müssten selbst über Krieg abstimmen. Wenn wir Krieg führen, dann können wir davon ausgehen, dass dieser immer notwendig ist, weil Politiker*innen schließlich kein intrinsisches Verlangen haben Krieg zu führen.
Krieg ist ein Risiko, Krieg ist teuer und Krieg kostet Menschenleben, somit muss es für eine Demokratie sehr gute Gründe geben, um Krieg zu führen.
All das bricht allerdings wie ein Kartenhaus zusammen, nimmt man sich einmal die Zeit, die Geschichte und die Fakten zu betrachten. Mit dem Putsch im Iran 1953 fing es In der Nachkriegszeit an. Der Iran hatte seine ersten demokratischen Wahlen und seinen ersten Präsidenten namens Mohammad Mossadegh. Der Iran erlebte zum ersten Mal Menschenrechte, Demokratie und Freiheit. Werte, die wir „den Guten zurechnen“. Allerdings kam dieser neue Präsident auf die dumme Idee, die Öl-Ressourcen des Landes verstaatlichen zu wollen, die vorher unter der Kontrolle britischer Firmen standen. Die Ressourcen des Landes sollten den Menschen des Landes zu Gute kommen und anscheinend verstößt diese Ansicht gegen unsere westlichen Werte, denn als Reaktion initiierten die USA einen Putsch gegen Mossadegh. Der Shah, ein brutaler Diktator, wurde eingesetzt und die Ressourcen blieben unter der Kontrolle westlicher Konzerne. Der Iran könnte heute demokratisch sein. Diese Demokratie hätte die Französische Revolution des Mittleren Ostens sein können, die eine Kettenreaktion durch die gesamte Region aussendet und eine Ära der Demokratie und der Vernunft einläutet. Als es um 1955 darum ging, wie man weitere Operationen im mittleren Osten rechtfertigen sollte, sagte US-Präsident Eisenhower in einem Strategiegespräch, „wir sollten alles tun, um den Aspekt des ‚heiligen Krieges‘ auszunutzen“. Seitdem „intervenierten“ westliche Regierungen immer wieder in der Region, was bedeutet, dass sie sich eine Seite herauspickten und unterstützten. Am liebsten wurden generische Diktatoren unterstützt, um die Sowjetunion, die schließlich der Feind war, an der territorialen Ausbreitung zu hindern. Man kam aber irgendwie selten auf die Idee, demokratische Bewegungen zu unterstützen. Tatsächlich wurde nach 1953 nahezu jede demokratische Bewegung im Mittleren Osten zerschlagen, vor allem dann, wenn sie das Ziel hatte, die Ressourcen des Landes für das eigene Volk zu nutzen und eben nicht den Konzernen Nordamerikas bzw. Europas zu überlassen. Obwohl Islamisten als Feinde westlicher Werte bezeichnet wurden, hat man lieber diese unterstützt, als progressive Demokrat*innen. Eins der auffälligsten Beispiele neben dem Iran ist Afghanistan. Erzählt wird einem in der Regel die Geschichte, dass die Sowjets versuchten das Land zu erobern und sich nur die Islamisten unter der Führung von Osama Bin Laden diesen in den Weg stellten. So blieb einem nichts anderes übrig als diese zu unterstützen. Später richteten die Islamisten ihre Gewalt auch gegen den Westen und den Höhepunkt dieses Konflikts kennen wir bis heute als 11. September. Was seltener erwähnt wird ist, dass es dort noch eine dritte Macht gab, die um die Kontrolle des Landes rang. Laizistische Nationalist*innen, also progressive Demokrat*innen, die sogar im Vergleich zu Islamisten und Kommunist*innen die größte Fraktion in Afghanistan darstellten. Angeführt wurden die Demokrat*innen von einem Mann namens Ahmad Schah Massoud, der nur einige Zeit vor den Anschlägen vom 11. September vor der Europäischen Union sprach und diese warnte, dass seine Spione in Erfahrung gebracht haben, dass Al-Qaida einen „schweren Angriff“ auf amerikanischen Boden plante. Er wurde größtenteils ignoriert und kam am 9. September bei einem Attentat ums Leben. Heute kontrollieren die Islamisten einen Großteil des Landes.
Der Mittlere Osten ist nur ein Beispiel, was zeigt, dass westliche Werte eine Farce sind. Der eigentliche Feind vor Ort ist der laizistische Nationalismus, da dieser das Potential hat den Ländern der Region Autonomie zu ermöglichen, frei von äußeren Einflüssen. Diktatoren sind nun einmal über Korruption und Druck wesentlich leichter zu kontrollieren, als ganze demokratisch organisierte Menschenmassen. Wenn dann ein Diktator nicht mehr gehorcht, nicht für „Stabilität“ sorgt, wie zum Beispiel Saddam Hussein, dann tauscht man ihn eben aus, wie einen CEO, der nicht das tut, was die Hauptaktionäre verlangen. Mit Demokratien wäre dies wesentlich schwieriger zu handhaben. Diese sind nur erlaubt, wenn diese sich „wirtschaftlich öffnen“. Grundsätzlich lässt sich erkennen, dass es egal ist ob es sich bei den Ländern um Diktaturen oder Demokratien handelt, solange sie Zugriff auf ihre Ressourcen erlauben, siehe z. Bsp. Saudi Arabien, Iran, Israel oder den Nordirak.
Aber wofür das Ganze? Was springt für die Politiker dabei heraus? Eine ganze Menge. Der Irakkrieg hat bis dato über 10 Billionen Dollar gekostet. Eine Menge Geld und auf den ersten Blick sieht das wie ein herber Verlust aus. Sinn macht es dann, wenn man sich einmal die Frage stellt, wer das Geld jetzt hat. Das meiste ging natürlich an private Rüstungskonzerne. Diese haben, neben anderen Branchen, die Bush-Familie als auch die restlichen Mitglieder seines Kabinetts absolut reich werden lassen. Dabei handelt es sich aber nicht um Korruption, sondern schlicht um „Wahlkampfspenden und Lobbyjobs“, denn das ist vollkommen legal und auch in der BRD mit westlichen Werten vereinbar.
Neben schlichter Korruption sieht Krieg auf Papier einfach auch gut aus. Jede staatliche Investition in die Rüstungsindustrie ist schließlich nichts anderes als eine deftige Subventionierung, d.h. dass auf Papier die Wirtschaft wächst und man schafft vielleicht sogar Arbeitsplätze. Man wirft einige Bomben ab und die Börse boomt! Neben der Rüstungsindustrie klingeln auch sämtliche Kassen der Medien, der Unterhaltungsbranche, der Öl- und Gaskonzerne, usw. Ein überwältigender Großteil des US-Haushalts (über 50%) geht jährlich für Militärausgaben dahin. Davon landet ein beachtlicher Teil im Pentagon, was wahrscheinlich der kreativste und innovativste Laden der gesamten Welt ist. Apple würde wahrscheinlich nicht einmal existieren ohne die großartigen Technologien, die das US-Verteidigungsministerium alle paar Jahre ausspuckt, bzw. markttauglich macht. Vom iPhone würde kaum 1% übrig bleiben ohne Erfindungen wie GPS, Mikrochips, Mobilfunk, Internet und Touchscreen, alles finanziert von Steuerzahler*innen „im Namen der Sicherheit“. Warum sollte irgendein Konzern selbst das Risiko eingehen und Geld in die Hand nehmen um zu innovieren, wenn das auch die öffentliche Hand tun kann?
Über 60 Millionen Menschen sind aktuell auf der Flucht und es fühlt sich für jemanden, der das niemals wirklich kennen gelernt hat, absolut unnahbar an. Ja, es ist einfach sich einzureden, dass wir dafür ja nichts können, dass bei denen dort ganz weit weg verrückte Fundamentalisten und korrupte Tyrannen herrschen, aber schaut man einmal genau hin, muss man feststellen, dass es unsere Regierungen waren, die diese sogar unterstützt, bzw. erst in ihre Positionen gebracht haben. Im Westen genießen wir trotz vieler Defizite immer noch die meiste Freiheit und deshalb sind wir auch zum großen Teil für das Leid in der Welt verantwortlich. Wie das passieren konnte lässt sich eigentlich sehr einfach erklären. Wir wählen unsere Repräsentanten im Staat, aber wir wählen nicht den Chef von Apple, von VW, Exxon Mobil oder Nestle und deshalb schulden sie uns auch kaum eine Verantwortung. So tun sie das, wofür sie da sind: sie maximieren Profit, mit allen Mitteln. Tun sie es nicht, werden sie durch die Eigentümer ausgetauscht und ein anderer übernimmt den Platz, weil jeder in der Wirtschaft denkt „wenn ich es nicht tue, tut es ein anderer“. 2017 kündigte der CEO von Heckler & Koch an, dass das Unternehmen nur noch Waffen in Demokratien liefern werde und er wurde umgehend entlassen. Heckler & Koch sind in Deutschland auch ganz vorne mit dabei, wenn es darum geht Politiker, vor allem von SPD, CDU und der FDP, zu bestechen.
Das geht immer so weiter, weil es sich lohnt für diejenigen, denen die Welt buchstäblich gehört, eben private Eigentümer von riesigen Konzernen. Es braucht einen Oligarchen nicht zu interessieren, dass Millionen Menschen auf der Flucht sind, ganze Landschaften unbewohnbar werden und soziale Konflikte ausbrechen, wenn dieser in seiner abgesicherten Gated Community in den Hamptons lebt. Mit den Problemen müssen sich ja andere rumschlagen. Und wenn jemand fragt, dann sag ich einfach: „Die sind doch selbst schuld! Es ist der Islam! Das sind Wirtschaftsflüchtlinge! Wäre der Hartz-IV-Satz nicht so hoch!“. Klar, man muss Krieg immer noch rechtfertigen und wenn beide Seiten Frieden wollen, sich dann trotzdem bekriegen, muss einer lügen. Um das Spiel zu durchschauen muss man auch mal in Erwägung ziehen, dass immer die Möglichkeit besteht, dass beide Seiten lügen und keiner Frieden möchte.
Was diejenigen aufhalten kann, die über Krieg und Frieden entscheiden, sind daher nicht die „Guten“, sondern nur noch die Demokratie selbst, aber der Grund weshalb es immer Krieg gibt ist klar: weil Frieden schlecht fürs Geschäft ist.
- von Dara Marc Sasmaz